Was für ein Name! Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal hier sein werde und schon gar nicht auf eigener Achse. Aber so ist es halt: Wir sind glücklich im Land der Reiter und Hirten angekommen, unserem letzten Zwischenstopp vor China.
Was ist über das Land zu sagen: Sehenswürdigkeiten in Form von Architektur etc. gibt es wenig, Kirgisistan ist ein Land für Naturfreunde. Und Natur hat’s. Wir sind überwältigt von der malerischen Bergwelt, von satten, blumenverzierten Wiesen in den Hochebenen, von bizarren Straßen, die wie gemacht für unser Auto sind und von reißenden Flüssen, die noch weitgehend ungebändigt zu Tal stürzen. Ach, hätten wir doch keinen Toni (unser chinesischer Reiseführer), der am 15. Juni auf dem Torugart-Pass auf uns wartet, wir wären bestimmt länger geblieben.
Doch der Reihe nach: Dank einer reibungslosen Einreise hatten wir den Abend in Bishkek in einem netten Grillrestaurant verbracht. Am nächsten Tag waren wir damit beschäftigt, Reparaturen an unserem Fahrzeug auszuführen. Die Keder, auf denen das Schlafbrett liegt, lösen sich nämlich beim Fahren, und dann scheppert Metall auf Metall, was außerordentlich unschön ist. Eigentlich hätte ich gedacht, dass eine Ausstattung, mit der man durch Wüsten fahren kann, ein bisserl besser verklebt ist. Ein wenig haben wir es mit Pattex hingekriegt - gut ist es noch immer nicht.
Dann kam der Tag der Bewährung für unser Auto: Der Torugart-Pass liegt auf 3.752 m Höhe. Und unser alter Diesel (…ohne Turbo) tut sich mit diesen Höhen recht schwer. Also haben wir einen Probepass herausgesucht (…immerhin auch schon 3.568 m hoch), um mal zu testen, ob das Auto das packt, oder ob wir drei Tage im Voraus anreisen und mit Untersetzung und Schrittgeschwindigkeit hochklettern müssen. Alles in allem hat er’s gut gemacht. Es gab immer noch langsamere LKWs, die wir schnupfen konnten. Aber jetzt sind wir sicher, dass wir gut in China ankommen werden.
Erwähnenswert ist, dass Wegweiser und oft auch Ortsschilder in Kirgisistan nahezu unbekannt bzw. einfach nicht vorhanden sind. Hier leistet das Smartphone mit Google Maps unschätzbare Dienste, denn das verfügbare Kartenmaterial ist auch ziemlich ungenau und oberflächlich. Hier hilft nur: Immer wieder fragen!
Die erste Nacht auf dem Land haben wir bei einem Russen (…natürlich im Toyo) verbracht, der eine Art einfachsten Campingplatz eingerichtet hat. Der ist wunderbar am Ufer des Flusses Karakol gelegen und wird von einer roten Felsformation eingerahmt. Am Abend gab es Kaviar! Nein, leider nicht den echten, den wir uns schon in Persien nicht leisten konnten, aber es wird schon irgendein schwarz gefärbter Rogen gewesen sein und die Verpackung war auch ähnlich der des echten russischen Stör-Caviars. Man sieht (natürlich nicht nur anhand dieser Verpackung) hier, genau wie in Kasachstan, die sowjetische Zeit noch an jeder Ecke. Die Architektur, die Dörfer, die Denkmäler… alles könnte auch als Kulisse für „Genosse Don Camillo“ herhalten.
Die Menschen hier sind übrigens zurückhaltender als in den Ländern, die wir zuvor bereisten. Hier wurde das Pferd noch nicht durch das Moped ersetzt, und oft sieht man auf dem Lande Menschen mit Trachten, die auf uns seltsam wirken. Jurten säumen oft unsere Wege und dort wird, offenbar mit Erfolg, fermentierte Stutenmilch angeboten. Wir haben sie noch nicht probiert.
Bevor wir uns in den nächsten beiden Tagen in Naryn auf China vorbereiten werden (schließlich müssen wir den Toyo so umbauen, damit unser Chinesen-Toni was zum Sitzen hat), stehen wir heute, am Sonntag, am wunderschönen Ufer des Issyk Kul Sees (das ist übrigens nach dem Titicaca-See der zweitgrößte Gebirgssee der Welt - er wird auch das Herz des Tianshan genannt).
Und zwar alleine auf weiter Flur. Leider auch etwas eingesaut durch Müll, den man hier, wie in vielen Ländern, einfach dort liegen lässt, wo er gerade anfällt. Aber da das Wetter heute auch nicht ganz so schön ist, sitzen wir eh im Auto und widmen uns den Reiseberichten. Wir bleiben jedoch nicht allein: Ein Gast zur frühen Morgenstunde kommt auf seinem Esel vorbeigeritten, um uns über die aktuellen Fußballergebnisse des gestrigen Abends (Deutschland - Ukraine 2:0) zu informieren. Ganz wichtig: Foto muss sein!
Nachtrag Naryn
So, wir sind nun bereits den zweiten Tag in Naryn, wo wir in einem Guesthouse untergekommen sind. Die Einrichtung ist recht realsozialistisch, aber wir haben ein ganzes Apartment inclusive der Möglichkeit, Wäsche zu waschen.
In Naryn herrscht sechs Monate pro Jahr Winter, und hier hat gerade erst der Frühling begonnen. Der Ort erinnert mit seinen schlammigen und löchrigen Straßen (ja, es hat heute geregnet) an Alaska, und als wir heute morgen ins Zentrum gelaufen sind, haben gerade ein paar Nachbarn vor dem Mietshaus ein Schaf aus der Decke geschlagen und zerlegt.
Kommentar schreiben
Inge und Wolfgang (Dienstag, 14 Juni 2016)
Liebe Weltenbummler,
es macht riesigen Spaß, daß Ihr uns durch Eure ausführlichen Berichte und
schönen Aufnahmen dazu an dieser Reise teilnehmen laßt
Wir wünschen Euch eine problemlose Ankunft in China, weiterhin gute Fahrt
und nette Erlebnisse.
Liebe Grüße
Wolfgang und Inge