Ruta 40

Blick vom Lago Mendenez auf den Gletscher Torrecillas
Blick vom Lago Mendenez auf den Gletscher Torrecillas

Über Fünftausendzweihundert Kilometer lang. Die Strecke der berühmten Ruta Cuarenta ist so lange wie die Distanz vom Nordkap bis nach Athen. Sie beginnt im Norden Argentiniens und endet in Ushuaia, Feuerland, auch unserem Ziel in Argentinien. Die Straße ist ein Mythos: Unendlich lang, im Norden und um große Städte herum geteert und teilweise vierspurig, wird sie, je weiter man nach Süden reist, einfacher, oft unbefestigt, in schlechtem Zustand und eher einem Feldweg gleichend als der berühmtesten Nord-Süd-Verbindung Argentiniens. Staub schlucken ist angesagt, und während der Toyo auf endlosen Wellblechpisten gequält wird, ziehen wir eine ununterbrochene Staubfahne hinter uns her. Wer diese Straße hinter sich gebracht hat, der hat Argentinien im wahrsten Sinne des Wortes erfahren.

Da wir, wie berichtet, über Chile und die wunderbare Laguna Brava eingereist sind, haben wir uns die ersten 1.500 km dieser Sehnsuchtsstraße gespart. Und auch auf unserem weiteren Weg nach Süden weichen wir, wo immer sich landschaftlich schönere Alternativen anbieten gerne mal vom Weg ab. Dumm nur, dass diese „Nebenstrecken“ sich dann oft durch einen noch schlechteren Straßenzustand auszeichnen. Aber schließlich ist es genau das Terrain, für das unser Reisemobil gebaut wurde. Steine fressen, Staub schlucken, der Toyo fährt bislang klaglos, auch wenn manchmal vor lauter Scheppern und Klappern kaum ein Wort des Beifahrers zu verstehen ist. 

 

Also: Wo sind wir die letzten Tage gewesen?

Zunächst, kurz nachdem wir auf die „Ruta“ gestoßen sind, haben wir in Villa Union übernachtet. Da gibt es nix zu erzählen, außer, dass wir erste Erlebnisse mit dem argentinischen Flaschenpfandsystem gemacht haben. Herr Trittin würde sich freuen, denn hier nimmt jeder Lebensmittelhändler nach Gutdünken, was er für richtig hält, in unserem Fall 1,50 Euro pro Flasche. Die kriegt man aber nur zurück, wenn man im gleichen Geschäft retourniert, was bei Reisenden unmöglich ist. Woanders kann man zwar tauschen, nicht jedoch zurückgeben. Zu allem Überfluss gibt es jedoch Supermärkte, die Flaschen auch ohne Pfand herausgeben (…und natürlich auch nix zurücknehmen). So klappern jetzt halt neben vielen anderen Dingen in unserem Auto immer noch ein paar leere Bierfläschli herum. Gilt übrigens ausschließlich für Bier, Wasser in Plastikflaschen, kann man noch immer einfach in den Müll werfen.

 

Weiter nach Mendoza. Der Welt-Weinstadt Argentiniens. Hier, in dieser, wie erwähnt, großzügig und mit vielen Parks durchwobenen Stand gab es endlich das erste richtige argentinische Steak für uns zu schmausen. Jeder ein halbes Bife de Chorizo, immerhin noch 300 g schwer und von ausgezeichnetem Geschmack. Dort hat uns ein Nachbar auf dem Campingplatz auch gleich mit einer ganzen Liste von sehenswürdigen Landschaften, Orten oder Naturparks auf unserem weiteren Weg nach Süden (…und sogar wieder von dort zurück nach Buenos Aires) versorgt. Zwischenzeitlich haben wir bereits einige „abgearbeitet“… danke Pablo für die guten Tipps.

 

Ein großer Berg Zicklein
Ein großer Berg Zicklein

Die Ruta hinter Mendoza verläuft durch vorwiegend vom Weinbau und von Obstanbau geprägte Landschaften eigentlich unspektakulär weiter. Die Anden im Westen rücken zunächst weiter weg, die vergleichsweise geringe Höhe über NN lässt unser Autochen wieder richtig gut schnaufen. Und so zuckeln wir weiter nach Malargüe.

 

Malargüe ist die Ziegen-Welthauptstadt. Was das heißt? Nun, jedes Jahr findet im Januar ein Ziegenfestival statt, bei dem riesige Mengen von leckeren, knusprigen Zicklein gebraten werden. Man sagt, dass vor einigen Jahren wegen eines Weltrekords auf diesem Fest mehr als 1.000 Zicklein gebraten worden seien. Nur wir Deppen haben dieses Ereignis natürlich verpasst. Dennoch: In einer Ziegenbraterei haben wir zwei bestimmt eins der besten Zicklein verputzt, das uns jemals zwischen die Zähne gekommen ist. Hmmmmmm!!!

Danach Chos Malal. Einfach ein Zwischenstopp. Regionaler Campingplatz, auf dem wir wieder mal Schweizer getroffen haben, die uns (..natürlich wieder mal viel länger auf der Reise als die Schmids) mit Tipps für die weitere Reise versorgt haben. Südlich von Chos Malal dann das Denkmal für die Mitte der Ruta 40. Wer denkt, er hätte auf einem Weg, so weit wie von Hamburg bis Istanbul viel erreicht, ist auf dieser Straße erst einmal auf der Hälfte der Strecke angekommen. 

 

Caviahue! Eigentlich ein Örtchen, in dem der Wintersport tobt. Gleichzeitig auch ein Tipp aus dem Arsenal von Pablo. Weil aber jetzt im Hochsommer mit Wintersport nix los ist, hatten wir den Eindruck, dass wir mit ein paar weiteren Touristen in diesem Ort ziemlich alleine unterwegs sind. Ein Eindruck, das sei vorweggenommen, der sich im weiteren Verlauf unserer Reise nicht mehr wiederholen ließ. Wir sind zwischenzeitlich von Touristenmassen umzingelt. Also Caviahue: Auf (natürlich) staubiger Piste zu erreichen, liegt das Dörfchen am Rande des Lago Caviahue im Regionalpark Copahue mit seinem mächtigen namensgleichen Vulkan. Übrigens: Diesmal hatten wir, wetterbedingt, nicht nur die beste Aussicht auf den Vulkan, wir konnten sogar beobachten, wie dieser ständig, einer Dampflok gleich, kleine Wölkchen ausstößt, die dann vom Winde verweht werden. Eindrucksvoll.

 

Ebenso eindrucksvoll war auch eine Wanderung zur Cascada Escondida. Zwar ist dieser Wasserfall im Vergleich zum Salto del Rio Agrio, den wir bereits bei unserer Anreise nach Caviahue besichtigen konnten, nicht ganz so eindrucksvoll, der Weg dorthin führt jedoch über große Araukarienwälder. Diese Araukarien gehören zu den ältesten Pflanzen der Erde. Angeblich soll es die schon vor 200 Millionen von Jahren gegeben haben. Und ein Baum beginnt erst mit einhundert Jahren, sich zu entwickeln. Die Bäume werden erst mit 500 Jahren „erwachsen“ einige Exemplare sollen gar bereits zu Christi Geburt existiert haben. Diese stacheligen Schönheiten sind etwas ganz Besonderes.

 

Nächster Stop, der „ADAC“-Camping in San Martin de los Andes. Ausgang oder Endpunkt der berühmten Ruta de siete Lagos. (Sieben-Seen-Tour, sind aber eigentlich acht!) Hier kann man sich über einen Mangel an Touristen nicht mehr beklagen, das Städtchen ist komplett mit Andenkengeschäften, Outdoor-Ausrüstern und natürlich Hotels, Bars und Restaurants durchsetzt. Kufstein oder Oberammergau sehen auch nicht viel anders aus. Aber schließlich sind wir ja auch Touristen und so haben wir uns am Abend (jeder!!!) zwei leckere Bife de Lomo gegönnt. Zwei kleine Filets von je rund 200 Grämmern. Saugut!!!

 

Und dann kam, auf dem Weg nach Bariloche am nächsten Tag tatsächlich die Sieben-Seen-Tour. Was für eine Pracht. Die Gegend ist vergleichbar mit dem Schwarzwald oder mit den Hochalpen, nur, dass auf rund einhundert Kilometern acht unterschiedlich große und verschieden aussehende Seen besichtigt werden können. Von tiefblau bis türkis, eingebettet in mächtige Berge oder sanfte Wälder, mit Steilufern versehen oder mit durchwaldeten Stränden sind alle Seen einzigartig. Zum Schluss der mächtige Nahuel Hapui, an dem die berühmte Stadt Bariloche liegt. Rund fünfhundertfünfzig Quadratkilometer groß und bis zu vierhundert Meter tief.

 

Bariloche selbst, das sei angemerkt, hat uns nicht so toll gefallen. Die Stadt ist berühmt für ihren Schweizer bzw. alpenländischen Einfluss, so gibt es (gefühlt) an die 500 Geschäfte, die Schokolade, Pralinen und sonstigen Süßkram verkaufen. Übrigens auch zu Schweizer Preisen. Klar, auch das gastronomische Angebot stimmt, es gibt Hotels und Hostels jeder Preisklasse. Und auch Agenturen für Ausflüge in die Umgebung (…sind bestimmt das Beste, was man hier machen kann) gibt es in Hülle und Fülle. Aber die haben es geschafft in die einzelnen, noch erhaltenen Gebäude, die wirklich noch alpenländisch aussehen, eine derartige Menge kolossaler Bausünden hineinzubauen, dass das Ganze, als Ensemble gesehen, grauslich ist. Wir beließen es dann auch bei einem Abend im Hotel und Monika (na ja… ich auch) schauten uns lieber zwei Lindenstraßen und einen Tatort an.

 

Wir sind dann auch am nächsten Tag gleich weiter auf einen wunderbaren Camping im Nationalpark Los Alerces. Natürlich an einem See. Natürlich nur über Feldwege zu erreichen und natürlich ohne Internet. Von dort sind wir am nächsten Tag zu einer Wanderung an den Ufern des Rios Arrayanes gestartet. Im Park soll es angeblich eine 2.600 Jahre alte Lärche geben ("Los Alerces" heißt "die Lärchen", hier ist der Name also Programm), die allerdings nur über eine Bootstour zu erreichen ist. Haben wir nicht gemacht. Stattdessen haben wir einem Fliegenfischer bei der Arbeit zugesehen. Wusstet Ihr, dass Fliegenfischer ihre Beute leben lassen und nach erfolgreichem Fang wieder in den Fluss zurückwerfen? Uns hat sich der Sinn dieser Freizeitbeschäftigung nicht recht erschlossen. Nach zwei Nächten auf dem schönen Campingplatz mit weiteren netten Reisebekanntschaften hat es uns dann weitergezogen. Über Trevelin, einen hübschen kleinen Ort mit zweisprachigen Schildern (Spanisch und Walisisch), der 1885 durch walisische Einwanderer gegründet wurde, hat es uns jetzt auf einen tollen Campingplatz in der Nähe der Nant y Fall-Wasserfälle verschlagen.

 

Wir sitzen am Fuße des Weinbergs der Eigentümer, es riecht nach den ersten Lagerfeuern, die später zu Grillfeuern werden, schließlich sind wir hier ja in Argentinien. Ein junger Argentinier zupft an seiner Gitarre und ich denke, wir sollten uns bald mal ein Aperitiv-Bierchen aufmachen - immerhin ist es schon sieben, also noch dreieinhalb Stunden Zeit bis zu einem argentinisches Abendessen.

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Kommentare: 4
  • #1

    KaHei (Montag, 30 Januar 2017 04:58)

    Herrliche Aufnahmen, super Bericht (was ich so alles dabei lerne!!!) und Euch weiterhin viel Spass und sichere Reise
    Die Malaysier im Rausch der Chinesischen Neujahrsfeier!!

  • #2

    Inge und Wolfgang (Montag, 30 Januar 2017 22:36)

    Vielen Dank fuer diese wieder einmal großartige Beschreibung von Land und Leuten dieser argentinischen Etappe. Immer wieder freuen wir uns, an euren Erlebnissen teilnehmen zu können. Weiterhin eine sichere und gute Fahrt.

  • #3

    Mani Mauder (Dienstag, 31 Januar 2017 20:22)

    Hallo ihr lieben, ich habe eure Reise bis heute verfolgt, und ich muss sagen..."UNGLAUBLICH" was ihr bisher erlebt habt. Für mich selbst ist es kaum zu glauben welche Strapazen, Risiken und Abenteuer ihr euch ausgesetzt habt. RESPEKT!!!!
    Ich wünsche euch weiterhin eine gute Reise, Gesundheit, Glück und ganz viel Spaß.
    Euer Manni Mauder aus Würzburg

  • #4

    Andrea & Martin (Donnerstag, 02 Februar 2017 11:02)

    Hallo Moni, hallo Rainer,

    nicht das ihr noch nicht genug gesehen hättet oder das Ihr einen Termin braucht, aber es böte sich, geeigenete Sonnenbrillen vorausgesetzt (!) an die totale Sonnenfinsternis am 26. Februar In der Nähe von Comodoro Rivadavia zu bestaunen.
    http://eclipse.astronomie.info/2017-02-26/

    Weiterhin viel Freude auf eurer Reise

    Andrea und Martin